Schaufensterschau-Journal #4: Krötenklänge und Angelangelegenheiten
Vom 01. bis 06. Oktober 2012 findet in Greifswald das „Schaufensterschau“-Projekt statt. Künstlerinnen und Künstler erstellen im festgelegten Rahmen einer Arbeitswoche Werke für eine Ausstellung her. Huey Walker unterwirft sich als Musikmachender ebenfalls dem Diktat dieses Projekts und will – sich selbst zum Schaffen drängend – innerhalb einer Woche eine CD einspielen. Über den Entstehungsprozess berichtet er hier – schreibend, in Photos, Musik und Videos:
4. Eintrag
Di. 02. Oktober, 22:09
„In the middle of the night she lays gazin’ at the sky With a thousand million stars all out to get her So, she holds her pillow tight, pulls it close with all her might Shuts her eyes, all out of sight and out of mind now.“
Geplättet vom Schlaf. Ich schlief wie eine von Schlafstörungen befreite Erbse unter einem schweren, halben Dutzend Decken. Gute sechs Stunden länger als sonst, trotzdem furchtbar zerknautscht jetzt. Muss an der Ereignisdichte und dem Ferienlagercharakter des gestrigen Tages liegen.
In der künstlerferienlagerartigen Projektwerkstatt der „Schaufensterschau“ tapere ich also wie ein kleines Kind zwischen der Kunst und den Kunstwerkzeugen und lasse mich über Farbpigmente und deren Anmischung aufklären. Mit Eiern und Leinöl und all sowas machen die das! Kennt man aus der Yellow Press schon von Udo Lindenberg und seinem schlapphutübermütigen Geschmierkrakel aus Blue Curacao und Eierlikör. Malen mit Essen. Ei, der Daus!
Wenn ich nun also nicht zwischen den Kunstschaffenden dort herumstolpere, nehme ich nebenan im temporären Werkstattstudio Musik auf: so auch heute mit dem hochgeschätzen Stephan aka Bassbees. Wie sich sonnende Kröten badeten wir im Suppensound. Eine Version von „Alkekengi Lanterns“, einem Ansatz an dem ich länger schon sitze, immer aber zu faul bin, das in schwingender Gänze aufzunehmen, haben wir ganz gut in den Kasten gekriegt.
File under: rückwärtsgeschürfte cosmic Meeresrauschen-Folk-Muzak, jingle-jangling Portweindrones, Herumfahrer-Klangkino, dizzy Rumgedümpel in Delaybrandungen und sweepy Soundgeschipper, weltenschief wunderliche Spaceship-Spinnereien, Latschenkieferlullabies und weinende Kosmonautenfieberträume.
Hier ein kurzer Ausschnitt aus der heutigen Aufnahmesession mit Bassbees:
Trifft man sich mit Musikerkollegen, kommt es häufig ja zum sogenannten Geartalk. So saßen wir also da, über unsere Gerätschaften gebeugt wie versonnene Murmelmönche (schon wieder was mit Sonne!).
Zum Sortieren der vielen klangerzeugenden und klangverändernden Kästen, Kisten und Kokolorika bietet sich ja immer was Kofferartiges an. Unmengen an Geld kann man für sowas ausgeben. Bombensichere Flightcases, tresorartige Equipmentummantelungen und ins Retrohafte gepitchte Stylotragehilfen.
Ich selbst begnüge mich mit einem daddeligen Köfferchen aus dem Baumarkt. Eine Art Handwerkerkasten. Sich einen richtigen, eigenen Handwerkerkasten zu kaufen hat etwas Sonderbares an sich. Es verändert etwas und läutet neue Lebensabschnitte ein. Ähnlich wie Auto- oder Grundstückskauf. Werkzeugkkofferkauf ist die Lightversion davon. Zum erstmal reinschnuppern.
Es ist eine Art Setzkasten, in dem mit einem ausgeklügelten Strebenstecksystem Fächer verschiedener Größe installieren kann. Vier kleine Quadratische oder zwei mittlere Langfächer, ein größeres Quadratisches, ein mittelkleines Langfach und zwei Kleinquadratfächerchen, riesengroße Innenkästen, ach und immer so weiter.
Ich habe alles fächerhafte Innenleben rausgerupft und drin stecken nun entweder ein Keyboard oder besagte Effektgerätschaften.
Das erinnert mich an meine Angelvergangenheit in jüngeren Jahren. Fahrig, aber der Natur und Stille verbunden, drängte sich das als Hobby geradezu auf. Der rutengestützte Fischfang gilt meist – oft optional natürlich mit ‘ner guten Stiege Uferbier dazu – als akzeptierte Ausrede zum Nichtstun, als Trigger zu innerer Einkehr durch meditatives Warten am Wasser. Sportiven Ehrgeiz oder Ähnliches hatte ich in Angelangelegenheiten ohnehin nicht. Fische fing ich so gut wie nie.
Dafür war mein Angelfreund Micki zuständig. Eigentlich Bernd-Michael, mit Bindestrich. Ein buntes Sammelsurium an Boilies, Blinkern, Wobblern und Stinkölen zum Anlocken der Fische stapelte sich in seinem Angelkoffer. Manchmal hievte er klonkernd einen großen Familienkartoffelsalatbottich mit eigens gemixter Anfüttermixtur zum Ufer. Haferflocken, halbangegangene Essensreste, ätherische Fischaphrodisiaka, Restmais vom letzten Chili, all sowas. Daraus formte man dann so Art Bouletten und warf sie in den See. Hierbei ist die richtige Mischung der Zutaten entscheidend, um eine angemessene Konsistenz des Anlockteigs zu gewährleisten, die ihn nicht sofort im Wasser löslich werden lässt, so dass der halbe See, jedoch nicht die zum Angelwurf anvisierte Stelle, angefüttert wird. Zu fest sollte es aber auch nicht sein, sonst liegt steinhaft nur ein dickes Matschbrötchen auf dem Seeboden und lockt kaum einen müden Krebs aus seinem Einsiedelheim.
Meine schlecht geworfenen Anfütterbouletten zerstieben meist noch in der Luft in alle Richtungen und senkten sich als trockener Teigresteregen aufs abendliche Seeufer.
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