Zonic Radio Show Nord, 07.07.2011 – Schmetterlinge, Stillstehsongs und synthesizered Moondog-Interpretationen
Mercury Rev, diese Schmetterling gewordene Ehemalsabspaltung der Flaming Lips, veröffentlicht ihr stilistisches Wandelalbum „Deserter’s Songs“ von 1998 in zwei Editionen neu.
Das Deluxe Re-Issue enthält neben dem Originalalbum eine Bonus-CD mit raren Stücken: B-Seiten, Demos, Remixe, so Zeugs.
Die musikalische Pracht des funkelnden Cinematoscopia-Pops von anderer – gesangsbefreiter – Warte heraushebend, erscheint das Album zudem auch in rein instrumentaler Neumischung. Dave Fridmann, langgedienter Sound-Engineering-Guru, nahm sich die Originalspuren vor und arbeitete eine weitere, instrumental breiter aufgefächertere Idee dieses moosig leiernden Bright-Wand-Sounds heraus.
Auf „Deserter’s Songs“ perfektionierten Mercury Rev damals ihren blumigen Weirdo-Kosmos. Ihr Sound, dieser entzückent lärmende Spieluhrkasten – den Butthole-Surfers in ihrer bedrogten Bühnenpräsenz zwischen spinnertem Herumgetobe und durchgedrehter Dada-Show nahe – wandelte sich in elegische Melodie-Megalomanien mit Bläsern, Streichern, Zucker und Tamtam. Von krachkraxelndem Noise-Gestolper bewegte man sich zu einer Psychedelia aus Prunk & Pracht.
Jonathan Donahues Gesang irrte zwischen dem zerbrechlichen Gestus eines Daniel Johnston und der klaren Verheißung eines John Lennon umher.
Wer in den Deserter’s Songs keine Oase frenetischen Soundglücks findent, muss wohl Tomaten in den Ohren haben.
Von diesen Dingen nun zum Drone: Aidan Baker hat – unermüdlicher Soundforscher in den Feldern zwischen Drone, Jazz, Noise und Somnic-Metal der er ist – ein neues Album veröffentlicht. „Still Life“ (erwerbbar bspw. hier) enthält vier jazzige Stücke, getragen von Klavier, brushed Drums und betulichen Reverse-Schleifen. Dem Albumtitel gemäß handelt es sich um Stillstehsongs, introspektive Instrumentalmeditationen, ganz frei von lärmigen Ausbrüchen oder Konterkarikaturen. Wohlbedachte Pianophrasierungen, dezente Bass-Reverse-Loops und angejazzte Samtpfotendrums in matter Zeitlupenhaftigkeit bestimmen diesen verwaschenen Drone-Jazz zum Mitreisen. Manchmal, wie im dritten Stück, schlingert sich katzenmusikalisch-flirriges Tastengenestel nach vorn und bringt etwas lebhaftiges Drama mit hinein.
Hobocombo interpretiert Moondog
Die Hobocombo aus dem italienischen Verona spielt elektrifizierte Vesionen von Moondog-Kompositionen und verleiht den Originalen dabei einen ganz eigenen Funk.
Francesca Baccolini, Andrea Belfi und Rocco Marchi widmen sich auf „Now that It’s the Opposite, It’s Twice upon a Time“ Stücken und Kompositionen von Lous Thomas Hardin alias Moondog. Initialzündung der Band war das Verona Risuona Festival, bei dem sie – neben vielen anderen Bands und Künstlern – die Gassen der Stadt mit Straßenmusik belebten. Moondog selbst verbrachte Jahre als sogenannte Straßenpersönlichkeit an der Ecke 54th Street / Sixth Avenue, Gedicht und Musik vortragend, mit Passanten philosophierend – letztlich als meistfotografierte Street Personality New Yorks und als Musiker seiner Zeit voraus geltend. Mr. Scruff brachte die Ohrwurmmelodie seines „Bird’s Lament“ auf den Dancefloor, die Coen-Brüder setzten ein Stück von ihm zentral im Soundtrack zu ihrem Big Lebowski ein und mit Musiker von Mouse On Mars sollte Moondog mitte der Neunziger gar noch ein Album aufnehmen. Das 1992 eingespielte „Elpmas“ changiert zwischen Marimbamantren, Regenwaldmusik und kosmischer Meditation. Das darauf enthaltene, 24-minütige Schlussstück „Cosmic Meditation“ hielt Moondog selbst für eine unvollendete Fingerübung in Obertönen. Beim Hörenden selbst entfaltet diese knappe halbe Stunde voll kontemplativem „ooommmm“ und „mhhhhooaaaam“ – fernab der Zweifel des Komponisten – nahezu einen Grad innerer Vollendung, eben: Meditation.
Die Hobocombo spielt seine Stücke nun als Trio mit zeitgenössischem Instrumentarium und tobt sich dabei zuweilen auch auf Synthesizern und Effekten aus. Die Grooves, die Repetition, die Rhythmen – zentrale Elemente in Moondogs musikalischer Hypnotik – übersetzt die Hobocombo in einen zeitgemäßen, durchaus tanzbaren Sound, ohne dabei in einer schnöden Elektrofrickelfalle zu landen. Handgemachtes merkt man hier, ein gewisser Sixties-Hobo-Beat schwingt mit. Es sollten im Allgemeinen, nicht nur mehr Moondog gehört, sondern auch mehr Moondog-Kompositionen musiziert werden.
Nachhören
Die Sendung kann für unbestimmte Zeit hier in der Mediathek der Medienanstalt M-V als Stream nachgehört werden.
Playliste
Mercury Rev – Daydream For Nina
Hello Blackbird (A Soundtrack by Mercury Rev)
V2
Mercury Rev – First Flight Of The White Birds
Hello Blackbird (A Soundtrack by Mercury Rev)
V2
Bill Callahan – Free’s
Apocalypse
Drag City
Bill Callahan – Drover
Apocalypse
Drag City
Smog – Strawberry Rash
Julius Caesar
Drag City
Hobocombo – Enough About Human Rights
Now that is the Opposite, It’s Twice upon a Time
Trovarobato / Parade
Hobocombo – Stamping Ground
Now that is the Opposite, It’s Twice upon a Time
Trovarobato / Parade
Greie-Gut Fraktion – Jennifer Cardini: Make it Work Mix (Bass Heiko Voss)
reKonstruKtion (Baustelle Remixe)
Monika Enterprise
Greie-Gut Fraktion – Soulphiction: Mischmaschine Late Dub
reKonstruKtion (Baustelle Remixe)
Monika Enterprise
Eluvium – Ogives/Redistributed
V. A. -Erik Satie & Les Nouveaux Jeunes
Arbouse Recordings
Mercury Rev – Night On Panther Mountain (Unreleased Mix)
Deserter’s Songs (Deluxe Edition)
V2
Mercury Rev – Departed Angels
Hello Blackbird (A Soundtrack by Mercury Rev)
V2
Mercury Rev – Simply Because
Hello Blackbird (A Soundtrack by Mercury Rev)
V2
Mercury Rev – Holes
Deserter’s Songs (Deluxe Edition)
V2
Mercury Rev – A Soft Kiss (For Waking Up) (Home Cassette Tape Demo)
Deserter’s Songs (Deluxe Edition)
V2
Mercury Rev – Isolation
Goddess On A Hiway
V2
John Lennon & Yoko Ono – Watching The Wheels
Double Fantasy
Geffen
Mercury Rev – I Dreamt
Godess On A Hiway
V2
Aidan Baker – Remembered Time
Still Life
Primary Numbers
Andrew Liles – Pretty Vague Cunt
As If Punk Rock Never Happened 7″
Dirter
Suzanne Langille & Neel Murgai – Invocation
Wild & Foolish Heart
Family Vineyard
Suzanne Langille & Neel Murgai – Child
Wild & Foolish Heart
Family Vineyard
Greie-Gut Fraktion – Vinilette: China Memories (Ambient Remix)
reKonstruKtion (Baustelle Remixe)
Monika Enterprise
Bill Callahan – One Fine Morning
Apocalypse
Drag City