Zonic Radio Show Nord, 11.11.2010 – Sinuswellen, Störgeräusche und Selbstverschlapphutung
Wie an jedem Donnerstag in den ungeraden Wochen knistert auch heute wieder eine Zonic Radio Show Nord durch den Äther.
Heute mit sphärischem Ambientgefriemel, zerhacktem Gefrickelgefriemel und blumig-swingendem Primelgefriemel. Ein gewisser Friemelfaktor ist da nicht abzusprechen.
Three:Four Records
Das Franko-Schweizerische Label Three:Four Records aus Lausanne veröffentlicht seit noch nicht einmal zwei Jahren in reger Betriebsamkeit ein Release nach dem anderen. Bisher ausschließlich in Form von hochwertig aufgemachten, limitierten, in Vinyl gepressten Tonträgergesamtkunstwerken, denen jeweils ein Coupon zum Download der Stücke beiliegt.
Mit einer neuen, selbstbetitelten EP von :take: erscheint nun des Labels erste Veröffentlichung im CD-Format. Jérôme Boutinot aus Paris, der sich hinter diesem Satzzeichen-Pseudonym verbirgt, schleift hier vier instrumentale Gitarren-Miniaturen durch Effekt- und Loop-Geräte und breitet damit in 20 Minuten einen hellen Schimmer aus Tönen aus, der sich in etwa irgendwo zwischen Stars Of The Lid und Mick Turner einordnen lässt. File under: Sunray-Sounds. Grafisch repräsentieren sich diese ganz vortrefflich und besser als mit den üblichen Vergleichswortvehikeln in Marine Augereaus Artwork auf dem Inlay.
Artwork als, für Ambient ja genretypische, ästhetische Extension spielt bei Three:Four Records bei jedem Release eine wichtige Rolle.
Labelkatalognummer TFR001, also die im Sommer 2009 erschienene Inaugural-Split-10″, greift auf dem Cover fotografisch das gern bediente Floating-Clouds-Motiv auf und enthält musikalisch zwei Stücke von :take:, sowie eine dunkelwolkige, noisigere Übung in Feedbackschleifen von den White/Lichens auf der anderen Seite.
Release Nummer zwei war dann gleich ein ganzer Sampler. „Err on the Good Side“ vereint Stücke von einigermaßen namenlosen Neofolk-Selfrelease-Rumkräplern mit zuweilen wild verpseudonomysierten Aha-Erlebnissen wie Rick Bishop von den ehemaligen Sun City Girls oder Ilitch aus Frankreich. Ein, mit Letzteren nahezu besetzungsidentisches, New-No-Cold-Whatever-Wave-Projekt namens Ruth konnte mit seinem Album „Polaroïd/Roman/Photo“ bei Erscheinen Mitte der Achtziger Jahre nicht mal dreistellige Verkaufszahlen, dafür aber seit einiger Zeit als wiederentdecktes Juwel verspätete Anerkennungserfolge verbuchen. Der stichhaltig betitelte Übersichtssampler „Des Jeunes Gens Mödernes – Post Punk, Cold Wave et Culture novö en France 1978-1983.“ (Born Bad Records) featurt beispielsweise ihren genauso heimlichen, wie auch – trotz aller Cold-Wave-Kühlheit – unheimlich anheimelnden Superhit „Mots“. Minimale Stolperdrums mit undefinierbarem Gequäke, frankophon betextet, mit Impro-Flöte und Sehnsuchtstrompete – Musik wie ein nicht enden sollender, in Eis skulpturierter Frühling.
Ebenso ähnliche Sehnsuchtsmomente vermag die Split-10″ von The Fun Years und .cut feat. Gibet zu triggern. Erstere steuern fünf Zweiminütchen-Skizzen auf Seite A bei, letztere haben zwei Songs im Gepäck, einer davon, ambient-gerechte, dahinrauschende zehn Minuten.
„Bad Bonn“ – der Noise-Kurort
Der mit einer Limitierung auf 650 Stück ebenso, wie alle anderen Three:Four-Veröffentlichungen hart verkaufsbegrenzte Sampler „Does Your Cat Know My Dog?“ versammelt die vielleicht bekanntesten Namen: hier gibt es exclusive Livemitschnitte aus einem Restaurant/Konzertpub namens „Bad Bonn“ in der 7000-Seelen-Gemeinde Düdingen. Irgendwo in der Pampa zwischen deutscher und französischer Schweiz gelegen, stand hier seit 1991 einiges auf der Bühne, wonach sich jeder Großstadt-Bohème-Schuppen die Finger wund lecken würde.
Der Beipackzettel des Samplers umschreibt diese Herzensangelegenheit so: „Not more and not less than an ideal place to meditate upon music and its universe, expressing what cannot be put into words, but for which we can’t remeain silent. Long live noise, whether it is loud or gentle.“
Der Vorliegende, von Jad Fair beartworkte, Sampler versammelt nun jüngere Aufnahmen von beispielweise den immerjugendlichen Turnschuh-Noisern Sonic Youth, dem ewig elegischen Waldschrat-Barden Bonnie ‚Prince‘ Billy und den neuen Wall-Of-Sound-Wichtigmännern Sunn O))). Letztere bescheren, ihre Konzerte als Mönchskutten tragende Doom-Drone-Priester zelebrierend, seit einigen Jahren ganzen Horden von Soundfreaks tinnitus-betäubte Erweckungserlebnisse. Mit nicht viel mehr als Eisnebel, Boxentürmen und einem eigenwilligen Gitarrentuning schicken Sunn O))) ihre endlosen, breiigen, brummenden und wundersam heilsamen Krachwalzen in die Magengruben der hingebungsvollen Jünger ihrer Sound-Zeremonien.
Daneben tummeln sich mit Carla Bozulich (The Geraldine Fibbers) & Ches Smith (schlagwerkend beispielsweise bei Xiu Xiu und John Zorn), den österreichischen BulBul und Pierre Omer von den Gypsy-Cajun-Goth-Folkern Dead Brothers andere tapfere Genre-Überschneiderlein.
Eric Quach alias thisquietarmy und Scott Cortez haben, obwohl sie 1000 Meilen voneinander trennen, gemeinsam zwei dronige Fast-Viertelstündler eingespielt und sie auf ihre gemeinsame 12″ Meridians gepresst. Die geographische Titelgebung setzt ich auch in der Namensgebung der beiden Tracks fort. Die erste Seite trägt die Koordinanten, pardon, den Namen „41° 52′ 50 N, 87° 42′ 39 W“ – und bezeichnet damit kartografisch eine Straße in Chicago. Die andere Seite der Vinylmedaille nennt sich „45° 30′ 4 N, 73° 33′ 29 W“ und verweist damit auf die Sainte Hélène im kanadischen Montreal. Womit die Orte der Wirk- und Workstations der beteiligten Musiker entsprechend kartiert sind und die gemeinsam musizierende Arbeit hier distanzgemäß nach dem guten, alten Spuren-hin-und-her-schicken verlief. So wurden nach und nach die wabernden Drones des jeweils anderen fortgeführt und overdubbed, bis sie diese beiden vielsphärischen Klangpendel ergaben – irgendwo zwischen Eno, Aidan Baker und Lovesliescrushing.
Alva Noto & Blixa Bargeld – Clicks & Katzenjammer
Carsten Nicolai aka Alva Noto und Christian Emmerich aka Blixa Bargeld spinnen den Faden in Richtung lieblich-kaputte Kaputtheits-Klänge fort und setzen dort an, wo ihre im im Frühjahr erschienene EP „Ret Marut Handshake“ aufhörte.
Die vier Stücke ebenjener bilden nun – in teilweise extended oder variierten Versionen – den Kern ihres Albums „Mimikry“.
Drumherum haben sie sechs neue Stücke aufgestellt: Störgeräusche zum Wohlfühlen wechseln sich ab mit morbiden Soundtrackdüsterheiten.
Manchmal flüstert es kalt durch Alva-Notos nackte Geräuscharchitektur, zusammengepanzert aus Frequenzkollapsen und gesampelten Soundimplosionen.
Dann wieder schnurrt Bargelds Anti-Gospel auf dunsigen, warmen Sinusbässen:
„
alles ist klein und überschaubar //
dank des weiten horizonts //
mit dem fall verengt der blick //
aufschlag unausweichlich //
„
(ANBB – Fall)
Weiter in die Sendung schleicht sich flotter Japan-Indie-Folk von Shugo Tokumaru, Entrücktes der friesisch flüsternden Piiptsjilling, neues spinnertes der Dirty Dishes (im Januar war Someone Else’s Tapes bereits Thema) und in tonalem Durcheinandergetobe mischt sich dazu noch etwas herzallerliebster Herbst-Techno aus dem Hause Traum Schallplatten.
Und, wie schon in der letzten Sendung, stimmt Bing Crosby mit einem Lied zur Jahreszeit auf ebendiese ein.
Entnommen von seinem entsprechend „Seasons“ betitelten Album, dessen bingsches Coverportrait einem Hoffnung für das eigene Altern zu geben vermag.
Ein Lebensherbst als Entenfütter-Opa im Pommes-Schranke-Jackett mit Hang zur Selbstverschlapphutung ist schließlich wahrlich nicht das schlechteste.
Zonic Radio Show Nord
Sinuswellen, Störgeräusche und Selbstverschlapphutung
11.11.2010, 20:00 – 22:00 Uhr
radio 98eins & livestream
Nachhören
Eine am 16.02.2012 gesendete Wiederholung der Sendung kann hier in der Mediathek der Medienanstalt M-V als Stream nachgehört werden.
Playliste
Four Tet – Both When I Am Alone And We Both Are
Hella / Four Tet – DIV/ORCE 7″
Ache
ANBB – Katze (featuring Veruschka)
Mimikry
Raster-Noton
Blixa Bargeld – Somewhere Over The Rainbow
Commissioned Music
Our Choice / Rough Trade
ANBB – Berghain
Mimikry
Raster-Noton
Synthesisia – Twin Tides Of The Pearl Moon
I Dreamed A World Of Darkness And You The White Light Shining
Bluesanct
ANBB – Fall
Mimikry
Raster-Noton
Dirty Dishes – Ansage 6
Der Egel Vom Tegel – Die Kleine Rock-Operette der Dirty Dishes
Someone Else’s Tapes / K.i.N.d.V
Dirty Dishes – Reim-Terzett
Der Egel Vom Tegel – Die Kleine Rock-Operette der Dirty Dishes
Someone Else’s Tapes / K.i.N.d.V
Dirty Dishes – Ansage 7
Der Egel Vom Tegel – Die Kleine Rock-Operette der Dirty Dishes
Someone Else’s Tapes / K.i.N.d.V
Bing Crosby – Autumn In New York (Ghantafiro Konto’s „Bingle Bells“ Edit)
Seasons
Amiga
:take: – Touche
:take: EP
Three:Four Records
Él-G, Sus & Jakob – Förgiftad Gava
V. A. – Err On The Good Side
Three:Four Records
Jakob Olausson – Queen Bee
Moonlight Farm
De Stijl
Little wings – Be My Baby
Little wings / Vollmar – Sing About Love 7″
Underwater Tea Party
Cyclobe – Wounded Galaxies Tap At The Window
Wounded Galaxies Tap At The Window
Phantom Code
thisquietarmy & Scott Cortez – 45° 30′ 4″ N, 73° 33′ 29″ W
Meridians
Three:Four Records
Blixa Bargeld – … liest Hornbach
Sonic Seducer Cold Hands Seduction Vol. 42
Sonic Seducer
Piiptsjilling – Dei Dream Ljurk (Day Dream Skylark)
Wurdskrieme
Experimedia
Blixa Bargeld & Tim Isfort Orchester – Pulpenregen
Recycled O.S.T.
Our Choice / Zomba
Sunn O))) – Isengard (Chopped & Screwed)
V. A. – Does Your Cat Know My Dog?
Three:Four Records
Blixa Bargeld & Tim Isfort Orchester – Amanda The Mermaid
Recycled O.S.T.
Our Choice / Zomba
Max Cooper – Ripple (Lofi Deluxe’s „A Man Dath Emer Maid“ Edit)
Expressions
Traum Schallplatten
Shugo Tokumaru – Tracking Elevator
Port Entropy
P-Vine Records
Ilitch – Chambre 1
V. A. – Err On The Good Side
Three:Four Records
Ruth – Mots
Polaroïd/Roman/Photo
Fractal
[…] via Underwater Tea Party, das bereits in der letzten Sendung Thema war, erblickte “Songs From A Window” von Resting Rooster das Licht der […]
[…] via Underwater Tea Party, das bereits in der letzten Sendung Thema war, erblickte “Songs From A Window” von Resting Rooster das Licht der […]